Buchtipps

Bücher zum Berliner Weglaufhaus »Villa Stöckle«

Flucht in die Wirklichkeit
Kerstin Kempker (Hg.)
Eine sehr persönliche und spannende, sprachlich wie inhaltlich abwechslungsreiche Sammlung von teilweise bizarren Erfahrungen, von Fragen und Ideen zum einzigen antipsychiatrischen Wohnprojekt für Psychiatriebetroffene in Deutschland. Bilder, Texte und Gespräche, wild und widersprüchlich, eigenartig und gewöhnlich, erfunden wie erinnert – aus dem Alltag im Weglaufhaus »Villa Stöckle«. 20 AutorInnen, MitarbeiterInnen und BewohnerInnen, beschreiben und illustrieren das Besondere und das Alltägliche im Weglaufhaus, einem Zufluchtsort frei von therapeutischen Ambitionen. Der zehnjährige Hürdenlauf bis zur Eröffnung 1996 und der ständige Kampf mit den Amtsschimmeln in den Sozialämtern werden ebenso plastisch dargestellt wie die Bilanz der bisherigen Arbeit, die Bewältigung von Krisensituationen und die von großer Anerkennung in Presse und Fernsehen bis zu erbostem Widerstand von Nachbarn reichende Resonanz in der Öffentlichkeit. 344 Seiten, 60 Fotos, 65 Abbildungen, Antipsychiatrieverlag, Berlin 1998. Näheres unter www.antipsychiatrieverlag.de

Das Weglaufhaus – Zufluchtsort für Psychiatrie-Betroffene
Erfahrungen, Konzeptionen, Probleme
Uta Wehde
Vorwort von Jeffrey Masson. Über Erfahrungen in holländischen Weglaufhäusern, die Projektvorgeschichte des 1996 in Berlin eröffneten Weglaufhauses, die Schwierigkeit des Entzugs von Neuroleptika und die positiven Erfahrungen psychopharmakafreier Alternativen in aller Welt. Exzellentes Literaturverzeichnis. 192 Seiten, Antipsychiatrieverlag, Berlin 1991. Näheres unter www.antipsychiatrieverlag.de

Bücher zu verwandten Themen

Psychiatrie überwinden
Auswege aus dem Geschäft mit dem Wahnsinn
Bonnie Burstow, DAMNMAD Kollektiv
Burstow geht einen Schritt weiter als andere Kritiker:innen der Psychiatrie und fordert nichts Geringeres als die Abschaffung der Psychiatrie, wie sie derzeit praktiziert wird.
Eine Welt ohne Psychiatrie – diese Vorstellung wirft Fragen auf: Wie wollen wir leben und miteinander umgehen? Was heißt schon normal?
Die kanadische Aktivistin und Wissenschaftlerin Bonnie Burstow hat sich mit diesen Fragen beschäftigt. Antipsychiatrie steht für sie dabei in dem größeren Kontext einer antikapitalistischen, einer besseren Welt. Mit Burstow begeben wir uns auf eine Reise, in die Vergangenheit, durch die Gegenwart, zu einer Zukunft: in eine Welt ohne Psychiatrie.
Die Geschichte der Psychiatrie antipsychiatrisch zu erzählen, zeigt wie sehr sich staatliche Herrschaft und Kapitalismus mit der angeblichen Fürsorge der vermeintlich Wahnsinnigen verbunden haben. Diese Verbindung tritt auch in den Prozessen auf, die zur Herstellung und Verabreichung von Psychopharmaka führen. Die Probleme mit dem weitverbreiteten Konsum von Psychopharmaka werden diskutiert sowie deren Wirkungsweisen erklärt. Abschließend eröffnet Burstow einen Ausblick auf eine Welt ohne Psychiatrie, die auf alltäglichen Interaktionen in einer veränderten Gesellschaft beruht.
Die einzigartige Methodik der institutionellen Ethnographie bietet eine umfassendere Kritik der Psychiatrie. Dies ist das rigoros recherchierte, aber leicht zugängliche Buch, auf das Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen gewartet haben. Ein wertvoller Beitrag zur Diskussion über das Versagen der psychischen Gesundheitssysteme. 208 Seiten, Edition Assemblage, 2021. Näheres unter https://www.edition-assemblage.de/en/buecher/psychiatrie-ueberwinden/

Frauen der Unterwelt
Queerfeministische Antworten auf Psychiatriegewalt, Sexismus und Ableismus
Tine Rahel Völcker (Hrsg.)
Das zugleich empowernde und einfühlsame Theaterstück über sieben weibliche Opfer der NS-„Euthanasie“ zeigt eine neue Perspektive auf „die hysterische Frau“.
Sie waren eigensinnig und verletzlich. Sie rebellierten gegen die engen Grenzen, die ihnen auferlegt waren. Sie wurden krank durch erlittene Gewalt, Diskriminierung oder Armut – und in der Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein vergast. Frauen der Unterwelt geht den Biografien von sieben kraftvollen Frauen nach, die als Opfer der sogenannten NS-Krankenmorde jahrzehntelang verschwiegen wurden. Als Theaterfiguren erzählen sie nun erstmals ihre Geschichten – jenseits der Diagnosen und Urteile, die einst über sie gefällt wurden. Ihre Geschichten lassen sich nicht mehr ändern, wohl aber die Geschichtsschreibung!
Neben dem Stücktext kommen Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen zu Wort, die sich aus unterschiedlichen Positionen heraus mit NS-„Euthanasie“, Ableismus, Pathologisierung von Weiblichkeit* und Transidentität und aktuellen Formen psychiatrischer Gewalt beschäftigen.
Die Beiträge stellen die traditionelle Bewertung psychischer Krankheiten in Frage und eröffnen einen Handlungsraum jenseits des „Normalen“.
Visuell wird der Band von fünf Zeichnungen Moana Vonstadls begleitet, die eigens für diesen Band entstanden sind. Moana Vonstadl experimentiert als Zeichnerin und Filmemacherin mit Motiven, die das Wilde und vermeintlich Dämonische als Aspekte von Weiblichkeit* positiv oder wertfrei wieder inkorporieren. 144 Seiten, Edition Assemblage, Münster 2021. Näheres unter https://www.edition-assemblage.de/en/books/frauen-der-unterwelt/

Gegendiagnose II
Esto Mader, Cora Schmechel, Alex Steinweg, Kim Kawalska (Hrsg.)
Bald vier Jahre ist es her, seitdem der erste „Gegendiagnose“- Band der Reihe Get Well Soon! zur kritischen Analyse von Psycho- und Gesundheitspolitik erschienen ist. Im zweiten Band liegt der Schwerpunkt auf den Momenten, in denen „wir“ uns pathologisieren und selbst regieren und welche Rolle dabei Begriffe wie psychische Gesundheit und Krankheit, Normalität und Eigenverantwortung spielen. Die ‚zweite Gegendiagnose‘ zeichnet sich durch eine große Vielfalt an expliziter und reflektierter Diversität der Perspektiven aus, ebenso durch eine Varianz der Beitragsformen. Von wissenschaftlicher abstrakter Theoriearbeit und Analyse über autoethnografische Zugänge bis hin zu sehr persönlichen Erfahrungsberichten und Prosa, von der Betroffenen- über die Angehörigen-Perspektive bis hin zu der Perspektive der ‚Professionellen‘ sind vertreten. Dieses Nebeneinander der Perspektiven ist als Kritik an der vorherrschenden Definitionsgewalt der Psy-Disziplinen und ihrer Institutionen zu verstehen. Die Beiträge analysieren Mechanismen und Auswirkungen des neoliberalen psychologischen_psychiatrischen Gesundheitssystems und fragen nach Widerstandsmöglichkeiten auf unterschiedlichen Ebenen. 288 Seiten, Edition Assemblage, Münster 2019. Näheres unter https://www.edition-assemblage.de/en/books/gegendiagnose-ii/

Gegendiagnose
Cora Schmechel, Fabian Dion, Kevin Dudek, Mäks* Roßmöller (Hrsg.)
Mit den Neuauflagen der Krankheitskataloge ICD und DSM werden die Grenzen dessen ausgedehnt, was als psychisch krank gilt. Formulierten in den 1960/70er Jahren noch außerparlamentarische Linke und ihr verbundene Psychiater_innen eine radikale Kritik an der Institution Psychiatrie, wurde im Anschluss daran die Kritik hauptsächlich von Betroffenen getragen und in die Praxis übersetzt. Heute findet Psychiatriekritik selbst im bürgerlichen Mainstream statt. Diese reibt sich allerdings lediglich an den aktuell in den Katalog aufgenommenen Diagnosen und den Interessen der Pharma-Industrie. Eine radikale Gesellschafts- und Machtkritik, wie sie die Alte und Neue Antipsychiatrie enthält, lässt sie jedoch vermissen. 344 Seiten, Edition Assemblage, Münster 2015. Näheres unter https://www.edition-assemblage.de/en/buecher/gegendiagnose/

Statt Psychiatrie 2
Peter Lehmann und Peter Stastny (Hrsg.)
Das große Buch über Alternativen zur Psychiatrie in aller Welt. 61 Psychiatriebetroffene, MedizinerInnen, TherapeutInnen, JuristInnen, SozialwissenschaftlerInnen, PsychiaterInnen und Angehörige von allen Kontinenten berichten von ihrer alternativen Arbeit, ihren Zielen, Erfahrungen und Erfolgen. Das Buch informiert über die aktuellen Ansätze von Selbsthilfe und Alternativen im Falle akuter Verrücktheit sowie Wege zu einer Behandlung, die die Menschenrechte respektiert. 448 Seiten, Antipsychiatrieverlag Berlin, Berlin 2007. Näheres unter www.antipsychiatrieverlag.de

Meine Schutzengel, meine Quälgeister
Gesammelte Reden und Artikel einer engagierten Stimmenhörerin
Hannelore Klafki
Ihre Stimmen – Quälgeister wie Schutzengel – haben Hannelore Klafki »… zu einer Powerfrau erzogen, ich hab irgendwann beschlossen aufzuhören, Opfer zu sein.« Hannelore war 2001 kurzzeitig Mitarbeiterin des Weglaufhauses. 192 Seiten, Antipsychiatrieverlag Berlin, Berlin 2006. Näheres unter www.antipsychiatrieverlag.de

Psychopharmaka absetzen
Erfolgreiches Absetzen von Neuroleptika, Antidepressiva, Lithium, Carbamazepin und Tranquilizern
Peter Lehmann (Hg.)
Mit dem Artikel „Absetzen im Weglaufhaus“ von Kerstin Kempker. Und mit Erfahrungsberichten von Betroffenen aus dem In- und Ausland sowie ergänzenden Artikeln von Psychotherapeuten, Ärzten, Psychiatern, Heilpraktikern und anderen Professionellen, die beim Absetzen helfen. Vorworte von Pirkko Lahti (Präsidentin der World Federation for Mental Health) und Loren R. Mosher (Direktor der Soteria Associates, Kalifornien). 376 Seiten, zweite, aktualisierte und völlig neu bearbeitete Auflage, Antipsychiatrieverlag, Berlin 2002. Näheres unter www.antipsychiatrieverlag.de

Antipsychiatrie

Sozialpsychiatrie
Entwicklungen – Kontroversen – Perspektiven
Martin Wollschläger (Hg.)
Mit kontroversen Beiträgen, u.a. von Stefan Bräunling („Fünf Jahre Weglaufhaus“), Hannelore Klafki („Mauer im Kopf“), Peter Lehmann („Blinde Flecken in der psychiatrischen Wahrnehmung“ und „Mit der nächsten Psychiatriereform wird alles anders“), Thilo von Trotha („Das Berliner Weglaufhaus ? ein anderer Ort? Über einige Grundlagen antipsychiatrischer Projektarbeit“) u.v.m. 1000 Seiten, DGVT-Verlag, Tübingen 2001. Näheres unter www.antipsychiatrieverlag.de

Skip to content